Gemeinsames Sorgerecht ist der Regelfall

Nürnberg/Berlin (DAV). Der Antrag eines bisher nicht sorgeberechtigten Vaters, ein gemeinsames Sorgerecht einzurichten, darf nur dann abgewiesen werden, wenn gewiss ist, dass dies dem Kindeswohl widersprechen würde. Das gemeinsame Sorgerecht kann auch gegen den Willen der Mutter angeordnet werden, entschied das Oberlandesgericht Nürnberg.

Unverheirateter Vater stellt Antrag auf gemeinsames Sorgerecht
Die Eltern waren nicht miteinander verheiratet und haben ein gemeinsames im Jahre 2006 geborenes Kind. Noch vor der Geburt des Kindes trennten sich die Eltern. Der Vater hatte zum Zeitpunkt des Antrags jedes zweite Wochenende Umgang mit seiner Tochter. Als Baptist lehnte er das Medium Fernsehen ebenso ab wie den Einsatz von Tabletten, Spritzen und Narkosen bei Kindern.

Seinen Antrag auf das gemeinsame Sorgerecht begründete er mit seiner Befürchtung, die Mutter werde ihren neuen Partner heiraten. Er sah die Gefahr, dass er seiner Tochter entfremdet würde. Auch habe er seit ihrer Geburt regelmäßig Umgang mit ihr gehabt, was die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes positiv beeinflusst habe. An der Erziehungsfähigkeit der Mutter habe er keine Zweifel. Er halte sie für eine gute und liebevolle Mutter und sei überzeugt, dass es dem Wohl der Tochter schadete, wenn sie der Obhut der Mutter entzogen würde. Sollte die Mutter in Erziehungsaufgaben seiner Hilfe bedürfen, sei er bereit, ihr mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Die Mutter lehnte das gemeinsame Sorgerecht ab. Nach ihrer Ansicht habe der Vater „krude“ Weltanschauungen und sei eine problematische Persönlichkeit.

Gericht: Kindeswohl für gemeinsames Sorgerecht entscheidend
Nachdem das Amtsgericht Nürnberg den Antrag noch zurückgewiesen hatte, hatte der Vater vor dem Oberlandesgericht Erfolg. Das gesetzliche Leitbild sehe das gemeinsame Sorgerecht vor. Voraussetzung sei eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern und ein Mindestmaß an Übereinstimmung. Dabei könne die Ablehnung des gemeinsamen Sorgerechts durch die Mutter nicht so gedeutet werden, dass das gemeinsame Sorgerecht dem Kindeswohl widerspräche. Dann hätte es letztlich immer die Mutter in der Hand, gegen das gesetzliche Leitbild vorzugehen. Oftmals würde ein gemeinsames Sorgerecht die gegenseitigen Vorbehalte überwinden helfen.

Den Vorbehalten der Mutter sei der Vater auch dadurch entgegengekommen, dass er zwar die gemeinsame Sorge beantragt, jedoch für den Teilbereich der Gesundheitsvorsorge das alleinige Sorgerecht der Mutter überlassen würde. Das beseitige bereits erhebliche Vorbehalte der Mutter.

Gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall
Das Gericht stellte noch einmal klar, dass die gemeinsame elterliche Sorge im Regelfall auch dann anzuordnen sei, wenn die Eltern nicht miteinander verheiratet sind. Sie sei nur zu abzulehnen, „wenn die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl widersprechen würde“. Dies sei hier nicht der Fall. Selbst die Bedenken des Vaters gegen das Medium Fernsehen sprächen nicht dagegen. Bei objektiver Betrachtung des Fernsehkonsums von Kindern erscheine es angemessen, eine kritische Haltung einzunehmen. „Anerkannt ist, dass ein unkontrollierter oder übermäßiger Fernsehkonsum der Entwicklung von Kindern nicht förderlich ist“, so das Gericht.

An der grundlegenden Kommunikationsbereitschaft der Eltern sei nicht zu zweifeln. Die besonders ablehnende Haltung der Mutter sei erst mit dem Antrag des Vaters auf das gemeinsame Sorgerecht entstanden. Auch habe die Mutter in der Vergangenheit von sich aus – ohne rechtlich verpflichtet zu sein – bei Entscheidungen den Kontakt zum Vater gesucht.

Selbst wenn die Eltern zur Erreichung von einvernehmlichen Problemlösungen aktuell noch häufig der Unterstützung des Jugendamtes bedürften, stehe das nicht dem gemeinsamen Sorgerecht entgegen.

Oberlandesgericht Nürnberg am 9. Dezember 2013 (AZ: 7 UF 1195/139)

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