Verkäufe der Zentralbanken – ein Indikator für die Richtung des Goldpreises?

Weltweit ist das Interesse der Zentralbanken an Gold erheblich abgeflaut. Könnte das Verhalten der Notenbanken gar einen Hinweis auf die Entwicklung des Goldpreises geben?

BildZentralbanken: vereinzelte Goldverkäufe und gesunkene Goldkäufe
Befeuert durch die COVID-19-Pandemie, konnte der Goldpreis in diesem Sommer nicht nur im Euro, sondern auch im US-Dollar ein historisches Allzeithoch erreichen und bewegt sich seitdem auf einem sehr hohen Niveau. Doch wird sich der Goldpreis auch langfristig zwischen der Marke von 1.900 und 2.000 Dollar bewegen? Sind womöglich sogar weitere Steigerungen absehbar? Oder wird der Preis bald wieder auf das Vorkrisenniveau sinken?

Einige Anleger versprechen sich vom Verhalten der Zentralbanken Hinweise auf die Entwicklung des Goldpreises. Immerhin gehören die Währungshüter zu den größten Goldkäufern und -verkäufern überhaupt. Und tatsächlich sind in den letzten Monaten einige Auffälligkeiten im Verhalten der Zentralbanken zu verzeichnen. Im zweiten Quartal 2020 kauften die Zentralbanken im Durchschnitt erheblich weniger Gold als im Vorjahreszeitraum. Satte 50 Prozent weniger. Russland, das bislang zu den stärksten Goldkäufern weltweit zählte, verzichtete im zweiten Quartal 2020 vollständig darauf, seine Goldreserven zu vergrößern. Im gleichen Zeitraum trennten sich einige Länder sogar im großen Stil von ihren Goldreserven. Dazu zählt insbesondere Kolumbien, das stolze 9,7 Tonnen Gold – und damit etwa zwei Drittel seiner gesamten Reserven – verkaufte. Aber auch Länder wie Kasachstan, die Mongolei und Deutschland haben einige Tonnen Gold verkauft.
Doch wie sind die verminderten Goldankäufe und die Goldverkäufe der Zentralbanken zu deuten?

Gründe für das aktuelle Verhalten der Zentralbanken
Um zu verstehen, warum viele Zentralbanken in der aktuellen Situation ihre Goldstrategie geändert haben, gilt es sich zunächst vor Augen zu führen, warum Zentralbanken überhaupt Goldreserven halten. In erster Linie dienen Goldreserven dazu, eine gewisses Unabhängigkeit von der Wertentwicklung des US-Dollars zu schaffen, eine schnell veräußerbare Liquiditätsreserve zu besitzen und sich gegen Krisen verschiedener Art zu rüsten. Und zu letzteren zählt natürlich auch die derzeitige Corona-Krise. Allerdings nimmt das Management der Corona-Krise viel Zeit in Anspruch, so dass der Kauf von Edelmetallen in der Prioritätenliste deutlich nach unten gerückt sein dürfte. Außerdem erhöhen die krisenbedingten Belastungen auch den Druck auf so manche Zentralbank, einen Teil der eigenen Goldvorräte zu veräußern, um der nationalen fiskalischen Verschlechterung entgegenzutreten. Zu diesen Kandidaten gehört insbesondere Indien, das durch die Corona-Krise besonders hart getroffen worden ist, und wo die Zahl der Corona-Neuinfektionen seit einigen Wochen so schnell steigt wie in keinem anderen Land.
Während vereinzelte Goldverkäufe also nicht damit begründet sein müssen, Profite einstreichen zu wollen, lässt sich das gesunkene Interesse der Zentralbanken an Gold durchaus auch mit dem aktuell hohen Goldpreis erklären. Als langfristig orientierte Investoren können es sich viele Notenbanken einfach leisten, auf günstigere Preise zu warten, um ihren Goldeinkauf fortzusetzen. Ein Indikator für ein baldiges Sinken des Goldpreises ist das freilich nicht.

Fazit: Das lässt sich aus den Goldverkäufen der Zentralbanken schließen
Zur Erklärung der Gold-Strategie der Zentralbanken können also drei Faktoren herangezogen werden:

1. Im Zuge der Corona-Krise sind die Zentralbanken schwer beschäftigt, sodass Gold-Investments derzeit eine geringe Priorität haben.
2. Die Corona-Krise hat in einigen Ländern zu einer dramatischen fiskalischen Verschlechterung geführt, was durch einen Goldverkauf teilweise aufgefangen werden soll.
3. Angesichts des langfristigen Anlagehorizonts der Notenbanken ist ein Goldankauf derzeit wenig attraktiv.

Die ersten beiden Gründe lassen keinen Schluss auf die kurz- bis mittelfristige Entwicklung des Goldpreises zu. Lediglich Punkt Nummer 3 spricht dafür, dass die Notenbanken zumindest kurzfristig nicht mit einer erheblichen Steigerung des Goldpreises rechnen und langfristig auf ein Fallen des Goldpreises setzen. Damit ist das Verhalten der Zentralbanken bestenfalls ein äußerst schwacher Indikator für die absehbare Entwicklung des Goldpreises. Zumal es weltweit sehr viele Notenbanken gibt, die in puncto Gold-Strategie teils höchst unterschiedlich agieren. Dass das Verhalten einer Zentralbank hinsichtlich des Goldpreises auch zum Kontraindikator werden kann, unterstrich jüngst Kolumbien. Die kolumbianische Zentralbank verkaufte im 2. Quartal 2020 gut zwei Drittel ihrer Goldreserven. Kurz darauf setzte eine historische Goldpreis-Rally ein. Historisch betrachtet ist es dabei längst kein Einzelfall, dass Zentralbanken Gold zu „unglücklichen“ Zeitpunkten an- oder verkaufen. Wer für eigene Investitionsentscheidungen ausschließlich das Verhalten der Notenbanken heranzieht, übt sich daher vor allem in Kaffeesatzleserei. Womit Sie am Edelmetallmarkt tatsächlich rechnen sollten, habe ich hier zusammengefasst.

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