Unklarheiten bei der Urlaubsabgeltung: Neues zur Vererbung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs

Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen, im Interview mit Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Dineiger, Berlin und Essen.

In einem aktuellen Urteil des LAG Düsseldorf vom 15.12.2015 geht es um die Vererbung von Urlaubsabgeltungsansprüchen, die Revision wurde zugelassen. Was gilt denn nun eigentlich im Urlaubsrecht?

Fachanwalt Bredereck: Im vorliegenden Fall wurde einem Erben vom LAG Düsseldorf ein Urlaubsabgeltungsanspruch zugesprochen. Das Gericht bringt auch klar zum Ausdruck, dass das Urteil im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht. Wird es jemals Ruhe geben im Urlaubsrecht?

Fachanwalt Dineiger: Das ist schon etwas merkwürdig. Wir werden im Bereich des Urlaubsrechts mit neuen Entscheidungen ordentlich auf Trab gehalten. Es sieht also im Moment nicht nach Ruhe aus.

Fachanwalt Bredereck: Wie kann das denn aber sein, wo doch die gesetzlichen Grundlagen in den letzten Jahren keine Veränderung erfahren haben?

Fachanwalt Dineiger: Das ist darauf zurückzuführen, dass sich der EuGH und das BAG in diesem Bereich auf etwas merkwürdige Weise streiten. In die Zuständigkeit des BAG fällt die Auslegung des BurlG, wohingegen sich der EuGH mit der Auslegung der Arbeitszeitrichtlinie der Europäischen Union beschäftigt. Diese wiederum enthält auch Regelungen zum Urlaub für Arbeitnehmer. Die Gerichte sind sich uneinig darüber, welche urlaubsrechtlichen Ansprüche Arbeitnehmer geltend machen können, und halten die Rechtsprechung des jeweils anderen Gerichts für falsch.

Fachanwalt Bredereck: Welches Gericht hat denn Recht?

Fachanwalt Dineiger: Das ist angesichts des Umstandes, dass der EuGH das höhere Gericht im Hinblick auf das Europäische Recht ist, gar nicht entscheidend. Beide Gerichte haben schlicht ein unterschiedliches Rechtsverständnis, das der Hauptgrund für die Differenzen ist. Das BAG hat als Ansatz das Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers, der EuGH die Sozialcharta der EU.

Fachanwalt Bredereck: Klingt so, als würde es spannend bleiben. Das LAG Düsseldorf hat sich jetzt ja nun mit der Vererbung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs beschäftigt. Gab es dazu nicht schon eine Entscheidung?

Fachanwalt Dineiger: Ja und nein. Was bisher entscheiden wurde, ist die Vererblichkeit eines entstandenen Urlaubsabgeltungsanspruchs. Der EuGH hat in der Entscheidung Günay Bollacke vorgegeben, dass ein Arbeitnehmer, der gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf Abgeltung des Urlaubes hat, diesen an seine Erben vererben kann. Die Rechtsprechung des BAG steht dazu im Widerspruch. Nach Ansicht des EuGH ist dieser Anspruch Bestandteil des Vermögens des Arbeitnehmers und geht damit an seine Erben weiter. Es kommt nach dem EuGH nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer von seinem Anspruch noch profitieren kann oder nicht.

Fachanwalt Bredereck: Also nichts Neues beim Urlaubsabgeltungsanspruch?

Fachanwalt Dineiger: Da nicht. Ein Urlaubsabgeltungsanspruch setzt, wie wir wissen, zwei Komponenten voraus. Der Arbeitnehmer muss noch über Urlaubsansprüche verfügen, die er noch nicht in Natur genommen hat und das Arbeitsverhältnis muss beendet worden sein, ohne dass der Urlaub noch gewährt wird. Diese Voraussetzungen müssen nach dem BUrlG vorliegen.

Fachanwalt Bredereck: Tatsächlich, das ist neu: in dem Fall vor dem LAG Düsseldorf war der Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis verstorben.

Fachanwalt Dineiger: Exakt. Ein Urlaubsabgeltungsanspruch war also gar nicht entstanden, da das Arbeitsverhältnis nicht vor dem Tod geendet hat. Damit greift die Rechtsprechung des BAG, dass Urlaubsansprüche mit dem Tod des Arbeitnehmers untergehen.

Fachanwalt Bredereck: Das sah das LAG aber anders. Ist der Ansatz des LAG denn überzeugend?

Fachanwalt Dineiger: Wenn man die Rechtsprechung des EuGH zugrundelegt, dann schon. In der Auslegung des EuGH kommt es nur darauf an, dass ein noch offener Urlaubsanspruch besteht und dass das Arbeitsverhältnis endet. Bereits dann entsteht der Urlaubsanspruch. Nach dem Ansatz des EuGH und des LAG kommt es aber nicht darauf an, ob der Anspruch vorher bei dem Arbeitnehmer entsteht oder aber gleich bei seinem Erben. Abzuhelfen ist der Anspruch in jedem Falle.

Fachanwalt Bredereck: Eine sehr spannende Frage. Was wird das BAG daraus machen?

Fachanwalt Dineiger: Das weiß derzeit nur das BAG. Wenn es aber konsequent urteilt, dann muss es sich der Rechtsprechung des LAG anschließen. Das werden wir beobachten.

28.03.2016

Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck und Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Dineiger, Berlin und Essen.

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