Aufhebungsvertrag durch unfaires Verhandeln

Aufhebungsvertrag durch unfaires Verhandeln

Christopher Koll, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Bell & Windirsch, Britschgi & Koll Anwaltsbüro

1. Die Einwilligung zum Abschluss eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags kann nicht gemäß § 355 BGB widerrufen werden.
2. Ein Aufhebungsvertrag ist jedoch unwirksam, wenn er unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist.

(BAG v. 8. Juni 2018 – 5 Sa 458/17 – Amtliche Leitsätze)

Ein Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer entlassen will, greift bevorzugt zum Mittel des Aufhebungsvertrages, denn dieser beendet das Arbeitsverhältnis im Regelfall rechtssicher unter Ausschluss des Risikos, dass sich ein unsicheres und langwieriges Klageverfahren anschließt. Die unbekannte Größe dabei ist allerdings der Arbeitnehmer selbst, denn der muss ja durch Unterzeichnung an dem Zustandekommen des Aufhebungsvertrages mitwirken. Gem. § 623 BGB bedarf ein wirksamer Aufhebungsvertrag ebenso wie die Kündigung der Schriftform, also hier der beidseitigen Unterschrift auf einer einheitlichen Urkunde. Muss der Arbeitgeber daher damit rechnen, dass der Arbeitnehmer nicht leichtfertig eine Unterschrift leisten wird, wird in der Praxis immer wieder zu allerlei Taktiken gegriffen, um per Druck die Unterschriftsleistung zu erlangen. Die Varianten reichen dabei u.a. von der Bedrohung über die reine Überredung in stundenlangen Gesprächen bis hin zur Ausnutzung des Überraschungsmoments usw. Gibt der Arbeitnehmer dann nach und sucht erst nach der Unterschrift Rechtsrat, wenn er wieder zur Besinnung gekommen ist, ist das Kind in den Brunnen gefallen. Die Möglichkeiten zur Beseitigung eines Aufhebungsvertrags sind dünn gesät (z.B. Anfechtung, Widerruf) und leiden in der Praxis an dem Mangel, dass man z.B. eine widerrechtliche Drohung, die eine Anfechtung möglich machen würde, in der Regel nicht beweisen kann.
In einem dieser Fälle hat das BAG jetzt im Rahmen der obigen Entscheidung eine Form der Rechtsverteidigung zu überprüfen, die betroffenen Arbeitnehmern im Einzelfall einen Ausweg eröffnen kann. Die Klägerin war arbeitsunfähig erkrankt zu Hause, als der Lebenspartner der Arbeitgeberin sie abends aufsuchte und ihr einen Aufhebungsvertrag vorlegte, den die Klägerin dann unterschrieb. Die Klägerin erklärte in der Folgezeit die Anfechtung des Aufhebungsvertrags und trug im Verfahren vor, sie habe den Vertrag nur aufgrund ihrer krankheitsbedingten Schwäche unterschrieben. Die genauen Umstände der Unterzeichnung waren zwischen den Parteien streitig, so behauptete die Beklagte insbesondere, die Klägerin habe vorab telefonisch um den Termin und den Abschluss eines Aufhebungsvertrags gebeten. Das BAG hat das Verfahren daher zur weiteren Aufklärung an das zuständige Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Im Rahmen der Entscheidungsgründe hat das BAG zunächst festgehalten, dass sich eine Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages weder aus § 105 Abs. 2 Alt. 2 BGB (vorübergehende Störung der Geistestätigkeit) noch aus § 119 Abs. 1 BGB (Anfechtung wegen Irrtums) ergebe. In beiden Fällen reiche der Vortrag der Klägerin nicht aus. Auch könne eine AGB-Kontrolle nicht zur Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags führen, da die Beendigungsvereinbarung im Rahmen des Aufhebungsvertrags gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht einer Angemessenheitskontrolle unterliege. Auch ein Widerrufsrecht gem. § 355 i.V.m. § 312g Abs. 1, § 312b BGB sei nicht gegeben, da es sich in ständiger Rechtsprechung insbesondere nicht um ein sog. „Haustürgeschäft“ handele.
Das BAG führt aber weiterhin aus, dass sich eine Unwirksamkeit aus einem Verstoß gegen das „Gebot des fairen Verhandelns“ ergeben könne. Dieses stellt eine sog. Nebenpflicht des Arbeitsvertrages dar und wird aus § 311 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB hergeleitet. Ein Verstoß kann vorliegen, wenn der Arbeitgeber eine Verhandlungssituation herbeiführt oder ausnutzt, die eine unfaire Behandlung des Arbeitnehmers darstellt. Dies ist gegeben, wenn der Arbeitgeber eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erschwert oder unmöglich macht. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der Arbeitnehmer gem. § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten. Der Aufhebungsvertrag fällt also weg und das alte Arbeitsverhältnis ist fortzusetzen.

Fazit:
In den Fällen einer Klage gegen einen bereits unterschriebenen Aufhebungsvertrag ist das „Gebot des fairen Verhandelns“ häufig der „letzte Strohhalm“. Auch hier lässt sich allerdings nicht umgehen, dass Arbeitnehmer die Rahmenbedingungen, die zu der psychischen Drucksituation geführt haben, im Prozess darlegen und beweisen muss. Ein Hinweis in der Klageschrift oder im Gütetermin auf die vorliegende Entscheidung des BAG könnte aber die Chancen der Kläger nachhaltig verbessern

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